Etsy gehört wie eBay und Amazon zu den etablierten Plattformen im Netz. Unzählige Menschen suchen auf Etsy täglich nach neuen, meist handgemachten Produkten. Dafür sorgen viele kleine Unternehmen aus der ganzen Welt, die mit liebevoller Mühe großartige Produkte erstellen. Doch Etsy hat schon seit einige Zeit einen durchaus schlechten Ruf und manche meinen, die Plattform zockt die Verkäufer ganz bewusst ab. Wir haben uns das angesehen, recherchiert und getestet und kamen zu einem fatalen Ergebnis, das selbst uns überraschte.
Ist Etsy eine Empfehlung
Im Kern der Frage ging es darum, ob Etsy eine Empfehlung für kleine Unternehmen ist, die ihre Waren ohne großen Aufwand verkaufen wollen. Die Shopping-Plattform ist praktisch ein Shop in Shop System. Der Vorteil liegt darin, dass Verkäufer praktisch ohne Vorkenntnisse ihren eigenen Shop eröffnen und eine beliebige Anzahl von Produkten einstellen können. Etsy kümmert sich um das Marketing und sorgt dafür, dass Millionen von potenziellen Interessenten auf die Angebote der Kleinunternehmen aufmerksam werden. Eigentlich eine Win-Win Situation, wenn nicht der Vorwurf der Abzocke im Raum stehen würde. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die steile Entwicklung der Plattform.
Die Gründung von Etsy
Gegründet wurde Etsy 2005 in Brooklyn von Rab Kalin, der mit einigen Freunden zusammen den Grundstein für die heutige Plattform legte. 2010 eröffnete der Onlinehändler dann seine erste Niederlassung in Deutschland, Berlin. Von Anfang hat sich Etsy auf individuelle Produkte von kleinen Händlern und Künstlern spezialisiert und wollte mit standardisierten Massenwaren nicht in Verbindung gebracht werden. Kreativität der Waren stand im Vordergrund. Handgefertigte Produkte, ein besonderes Merkmal von Etsy, bis heute.
Vor allem in den USA ist der Onlinemarktplatz am erfolgreichsten, der weiterhin seinen Hauptsitz in Dumbo (Brooklyn) hat. 16 Millionen Verkäufer, über 45 Millionen Produkte und über 30 Millionen Käufer zählt die Onlineplattform nach eigenen Angaben, die das Geschehnis mit fast 1.000 Mitarbeitern verwaltet. Herzstück ist die Community und damit verbunden auch der Service, so behauptet Etsy.
Doch wie sieht es wirklich aus
In den letzten Jahren hat Etsy beim Service deutlich abgebaut. Man könnte sagen, das Unternehmen befindet sich jetzt in der satten Phase, wo sie nicht mehr so sehr auf den einzelnen Kunden angewiesen sind und genau das macht sich seit einiger Zeit massiv bemerkbar. 16 Millionen Verkäufer, das sind die Kunden der Plattform, die das Geld bringen. Bei dieser Masse muss man auf einzelne Kunden nicht mehr achten.- So der Vorwurf vieler kleiner Shops, die sich Etsy als Plattform bedienten.
Viele Verkäufer starten mit großen Enthusiasmus. Oft handelt es sich um Frauen um die 30 – 40, die entweder arbeitslos, als Hausfrau tätig sind oder einfach ein Nebeneinkommen suchen. Die erste große Falle sind die Gebühren von Etsy, die viele Einsteiger zunächst gar nicht beachten, teilweise auch ein wenig versteckt aufgeführt sind (absichtlich?). Zunächst sind da nur die sichbaten Einstellgebühren, die pro Artikel 20 Cent betragen. Das ist annehmbar. Der Schock kommt aber beim ersten Verkauf.
Das sind die Gebühren von Etsy
Die Gebühren und Provisionen sind recht vielfältig und setzten sich wie folgt zusammen:
- 6,5 % Gebühr vom Versandbetrag (sogenannte Transaktionsgebühr)
- 6,5 % Gebühr vom Artikel-Gesamtbetrag (sogenannte Transaktionsgebühr)
- 4,0 % Bearbeitungsgebühr
- 20 Cent erneute Einstellgebühr, sofern der Artikel weiter verkauft werden soll
- 4,0 % Bearbeitungsgebühr, plus zusätzlich 0,30 Euro.
Das waren die Hauptgebühren, die bei jedem Kauf anfallen. Das ist schon ordentlich und in gewisse Hinsicht als Abzocke oder sogar schon als Wucher zu bezeichnen. Aber wir sind noch nicht am Ende.
Wurde das Produkt durch Werbung außerhalb der Plattform gekauft, kommen noch einmal satte 15 % des Verkaufsbetrages als Abzug hinzu und das nicht etwa einmalig, sondern erneut bei einem weiteren Kauf durch die gleiche Person innerhalb von 30 Tagen. Das findet sich bei kaum einer anderen Plattform. Das ist eine Größenform, die nur dadurch verlangt werden kann, dass eine Abhängigkeit aufgebaut wird. Das sogenannte Etsy Offsite Ads System lässt sich für kleine Händler unter 10.000 USD Umsatz abschalten. Größere Händler müssen das akzeptieren.
Werden nun alle Gebühren zusammen berechnet, kommt der Verkäufer leicht -im Fall mit Etsy Offiste Ads. auf bis zu /teilweise über 30 Prozent, die vom Verkauf und den Versandkosten an Etsy fließen. Ein Wahnsinnsbetrag, der eigentlich nicht mehr marktgerecht ist. Doch damit endet das merkwürdige Etsy System noch nicht.
Werbung schalten – Etsy Ads
Nun kann der Händler bei Bedarf auch noch weitere Werbung schalten. Aber nur gegen Aufpreis -versteht sich. Ab 1 Dollar pro Tag (bis maximal 25 US $ pro Tag).
Etsy Support frei nach Lust und Laune
Das Problem ist und bleibt der Support, die Mitarbeiter, die anscheinend machen dürfen, was sie wollen. So wird in letzter Zeit immer wieder davon berichtet, das Sperren von einzelnen Artikeln erfolgt und sogar ganze Shop einfach offline geschaltet werden. Dabei wiegen die Vorwürfe schwer gegen Etsy. Es heißt, die Onlineplattform würde die Verkäufer über die Sperren gar nicht informieren. Eigentlich ein unglaublicher Vorgang, den wir zunächst gar nicht nachvollziehen konnten. So unseriös könnte doch keine große und etablierte Plattform wie Etsy arbeiten.
Wir wurden eines besseren belehrt!
Tatsächlich ist es bei Etsy gang und gebe, Produkte (anscheinend nach Belieben) zu sperren und auch den Shop der Verkäufer selbst. Das Perfide daran ist nicht die Sperre, sondern das keine Benachrichtigung erfolgt. Wird ein Artikel gesperrt, bleibt dieser in der Shop Ansicht zunächst erhalten. Das ist kurios. Erst wenn ein Interessent auf den Artikel klickt kommt der Vermerk: Dieser Artikel ist in Deiner Region nicht verfügbar.
Verkäufer müssten also täglich ihre Produkte durchklicken, um mögliche Sperren zu entdecken. Unsere Recherche ergab, das Etsy tatsächlich keine Mitteilung verschickt, aber bei Rückfragen gerne behauptet, dass angeblich eine eMail erfolgt sei. Dabei sind weitere Beschwerden von Verkäufern unerwünscht. Zeigt sich ein Händler nun so gar nicht einverstanden mit der Sperre eines Artikels und versucht den Grund, der auch auf Nachfragen nicht mitgeteilt wird (nur Verweis auf die AGB von Etsy), zu hinterfragen, kommt es schon einmal (Einezlfälle?) zu einer Sperre des gesamten Shops.
Das Perfide auch hieran: Etsy macht es sich einfach und informiert scheinbar den Verkäufer in keiner Form. Dieser wird den Umstand also erst dann entdecken, wenn er sich wieder versucht in seinen Shop einzuloggen und folgendes sieht: Dein Konto ist dauerhaft gesperrt Du hast im Moment keinen Zugang zu deinem Konto.
Im Falle einer solchen Sperre kann ein Widerspruch gegen die Suspendierung eingelegt werden. Das Formular selbst ist aber eine Zumutung. So muss angegeben werden, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um gegen die Sperre vorzugehen und wie sich die Geschäftspraktiken ändern werden und die Umstände, die zur Sperrung geführt haben.
- Why are you appealing your account suspension?:
- Other reason:
- Are there any actions you’ve taken to address your suspension?:
- How will your business practices change if you regain account access?:
- Describe any extenuating circumstances that may have contributed to your suspension:
Die meisten Verkäufer, die völlig legal ihre handgemachten Produkte auf Etsy verkauften und plötzlich gesperrt wurden, haben keine Ahnung warum. Manchmal reichen kleine Punkte, eine falsche Angabe, wann das Produkt gefertigt wurde oder sonstiges, damit der Support mit dem Verkäufer sein Spiel beginnt. Die gesamte Prozedur ist eine Zumutung, da die meisten Händler nicht einmal darüber informiert werden. Und dann sollen o. Fragen beantwortet werden, um eine Suspendierung aufzuheben. Das klingt nicht nur kurios, sondern auch nach scheinbarer Abzocke. Für die Händler ist es mehr als Fatal. Denn die bisher angefallenen Gebühren, werden natürlich abgebucht. Kunden des Händlers sehen nur noch, dass der Shop nichts mehr verkauft. Alle eingetroffenen Bestellungen sind ebenfalls weg. Für den Händler ein Totalverlust.
Das eine große Plattform wie Etsy scheinbar derart handelt (und das nicht nur im Einzelfall), war für selbst für uns nicht glaubwürdig. Die Recherche belegt aber genau das.
Zusätzlich gibt es noch den Etsy Support, der an 6 Tagen in der Woche per Chat einfach erreichbar ist. Meistens englischsprachig. In der Regel heißt es, dass deutschsprachige Mitarbeiter gerade nicht verfügbar sind. Der Chat Support ist aber nicht mehr ein allgemeines Callcentern. Dort werden die Anfragen nur entgegengenommen und dann an einen Sachbearbeiter weitergeleitet, der sich später per eMail meldet, aber für weitere Rückfragen dann nicht erreichbar ist. Auch der Chat Support ist insgesamt sehr kurz gehalten. Dahinter schein ein klares System zu stecken, damit Verkäufer gar nicht erst eine Chance auf Diskussion haben.
Wie ein Blick auf Trustpilot und anderen ähnlichen Bewertungsportalen zeigt, ist das Vorgehen scheinbar kein Einzelfall. Bei über 16 Millionen Händlern auf der Plattform kann man sich das aber anscheinend auch leisten.
Fazit
Wer nebenbei oder hauptberuflich einen Shop betreiben möchte, sollte von Anbietern wie Etsy oder andere Plattformen wie Shopify, etc. die Hände lassen. Als Händler begibt man sich damit automatisch in Abhängigkeit und ist auf Gedeih und Verderben auf die Dienstleister angewiesen. Natürlich klingt die Möglichkeit, einen Shop ohne Vorkenntnisse zu eröffnen, sehr verlocken. Die Rechnung dafür kommt aber.
Wer wirklich ins Online-Business einsteigen will, sollte sich damit ausführlich vertraut machen und seine eigene Webseite mit eigenem Shop installieren, ohne von einem der o. Dienstleister abhängig zu sein. Das ist aufwendiger, teurer, dafür besteht aber keine Abhängigkeit mehr und der Shop kann nicht mit fragwürdigen Handlungen plötzlich geschlossen werden. Etsy und Co. können als Zusatz genutzt werden, das ist sicherlich ok, aber niemals als einzige Shopnutzung.